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Die Fragen der Kinder

12.07.2012 | 0 Kommentare

 

Kaum ein Liedanfang läßt mir einen solchen unwohligen Schauer über den Rücken laufen wie der von „The greatest love of all“. Whitney Houston, mittlerweile verstorben, säuselt: „I believe that children are our future“. Und rettet sich im Weiteren von Phrase zu Floskel zu Bauernweisheit. Das Fatale: die tiefe Wahrheit hinter dem ersten Satz des Songs nimmt man nicht mehr wahr, verbucht ihn als Trivialität und ist nicht überrascht, wenn er demnächst wieder von einem Wahlplakat prangt.

Kinder bedeuten Veränderung

Dabei sind Kinder tatsächlich nicht nur die Zukunft einer jeden Gesellschaft, sie sind auch der Motor von Wandel, von Innovation, von Veränderung. Kinder entdecken die Welt mit, Achtung, Kinderaugen. Diese zeichnen sich nicht (oder nicht nur) dadurch aus, dass sie groß und rund sind, sondern, dass sie voller Neugier in die Welt blicken. Leider wird der Begriff „Kinderaugen“ oft synonym zu grenzenloser Naivität oder gar Dummheit verwendet. Das ist falsch. Auch wenn wir Erwachsene das gerne hätten.

Ernst nehmen, verständlich sprechen, sich selbst hinterfragen

Wie falsch unser Gefühl der Überheblichkeit ist, durfte ich (wieder einmal) erleben, als ich einem Dutzend Kinder zwischen 8 und 12 Jahren in Münster
Rede und Antwort zum Thema „Geister“ stand. Organisiert im Rahmen eines Sommerferienprogramms im „Bennohaus“ hatten die Kiddies Fragen zum Paranormalen vorbereitet und fragten mir Löcher in den Bauch (dank an die 
Hoaxillas, von denen ich den Termin übernehmen durfte). Was mir auffiel: Am Anfang fiel es vielen Kindern schwer sich zu beteiligen und offen ihre Fragen zu stellen. Erst nach und nach tauten sie auf, auch dank Pädagogen, die selbst nachhakten, bis es dann plötzlich Fragen nur so hagelte. Warum war das so? Mir wurde klar, dass viele der Fragen den Youngsters schon lange auf den Nägel gebrannt hatten:
Was ist ein Zombie? Was ein Vampir? Könnte es Geister geben? Aber oft hatten sie wohl darauf die Antwort von dieser Art bekommen: „Dafür bist du noch zu klein.“ oder „Alles Blödsinn.“

Kinder hören dann auf zu fragen. Dabei wäre die ehrliche Antwort von uns Erwachsenen doch oft eher „Ich weiß es nicht“ oder „Ich weiß nicht genau wie ich das erklären soll.“


Interviewt von jungen Skeptikerinnen. (Foto: Bennohaus)

Der Vampir

So ging es mir, als ich gefragt wurde, warum Menschen glaubten, dass es Vampire gäbe. Konnte ich  hier wirklich davon sprechen, dass Leichname bei Bewegung Geräusche machten? Dass rosige Wangen, scheinbar wachsende Haare und Fingernägel Missverständnisse beim Verwesungsprozess des Menschen sind? Ich tastete mich vor. Und merkte, dass nicht die Kinder, sondern ich derjenige war, der unsicher bei der Thematik wurde. Und dass es mir oft genug schwer fiel, einfache Formulierungen zu benutzen. Das wurde beim Thema „Zombie“ noch schwieriger. Aber es klappte und die Kinder belohnten mich mit immer neuen Fragen.

„Was glaubst Du?“

Als das Gespräch im vollen Gange war, fiel mir auf, dass Fragen zunahmen, die auf meine Meinung, meinen Glauben zielten: „Glaubst Du an Geister?“, „Glaubst Du an Ungeheuer?“, „Glaubst Du an Dinos?“ Gerade letztere Frage überraschte mich, bis ich mir vor Augen führte, dass Dinosaurier aus Film und Fernsehen für Kinder ein ebenso reales Konstrukt sein konnten, wie Vampire oder laufende Mumien. Auch hier liegt der Spielball bei uns zu erklären, was den Glauben an Vampire eigentlich von dem an Dinosaurier unterscheidet, und warum ich persönlich das eine für sehr unwahrscheinlich halte (ja, in der Tat die Vampire) und das andere als Tatsache (Überraschung! Es geht um die Dinosaurier) einstufe. Und warum es für mich tatsächlich Ungeheuer gibt, wenn ich an große, böse Hunde denke. Kinder wollen das verstehen, sie hören zu, wenn sie merken, dass wir authentisch und verständlich auf die Fragen eingehen, die sie beschäftigen.

Kinder sind toll – und tolerant!

Es kann nicht oft genug gesagt werden: es gibt keine christlichen, muslimischen, jüdischen, hinduistischen, buddhistischen, …, atheistischen Kinder , sondern nur Kinder christlicher, muslimischer, jüdischer, hinduistischer, buddhistischer, …, atheistischer Eltern. Und trotzdem schreckte ich zunächst davor zurück die Kinder mit meinen humanistischen Glaubensvorstellungen zu konfrontieren. Die Einstiegsfrage war: „Warum glauben Menschen ein Geister?“ und ich fand mich plötzlich mitten in Erklärungen, dass neben dem Finden von Strukturen in zufälligen Mustern (Kinder können das verstehen!) und dem Forscherdrang des Menschen, ob es da nicht „Mehr“ gibt, das Glauben an Geister vielen auch dabei hilft, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Und dann ergänzte: „Also es gibt Menschen, die meinen, es ginge nach dem Tod weiter. Ich ja nicht.“ Für die Kinder war meine Aussage kein Problem. Ich sah mich aber gezwungen zu ergänzen: „Ich weiß es ja auch nicht.“ Als wäre das den Kiddies nicht klar gewesen…


Das gesamte Kinderteam – voller Wissensdrang! (Foto: Bennohaus)

Mein Credo

Wir sollten unseren Kindern vertrauen. Wir sollten ihre Fragen zulassen, ernst nehmen, beantworten. Und wenn wir das nicht können: uns zusammen mit ihnen auf die Reise nach Antworten begeben. Ihnen zeigen, wie sie Informationen sammeln können, wie sie gute Informationen erkennen, und wo sie an dogmatische Überzeugungssysteme geraten. Meine Überzeugung ist, dass Kinder solchen Systemen zunächst einmal nicht viel abgewinnen können, aber lernen, sie als Teil des Erwachsenensystems zu akzeptieren bis sie davon indoktriniert werden. Man kann mit Kindern auch über schwierige Themen, wie Sexualität, den Tod, Religiosität reden, ohne ihnen Märchen zu erzählen, die die meisten Erwachsenen selbst nicht glauben. Nehmen wir das Angebot unserer Kinder an, Aufklärung ernst zu nehmen!

Deswegen konnte ich es mir nicht verkneifen, dem jungen Willi, der bestimmt alleine 13 Fragen stellte, nach dem Interview mit auf den Weg zu geben:

„Hör nicht auf zu fragen! Frag immer weiter!

Und wenn Du keine Antwort bekommst, dann ist nicht Deine Frage falsch, sondern nur der Erwachsene zu faul.“

Den Bericht meiner jungen Kollegen findet ihr hier – und bald folgt das Interview.

Der Rest ist Grönemeyer!

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