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Ich bin Jedi – und du?

29.03.2012 | 0 Kommentare

Wie so oft, fing es harmlos an. Freunde kamen in der Casa Barto vorbei, ein Spieleabend war angekündigt. Ich weiß ehrlich gesagt, gar nicht mehr, wer da war, oder was wir genau spielten. Sicher keinen Poker, das Zombie-Spiel oder Illuminatus!, denn solch ein Highlight hätte ich mir sicher gemerkt. Mit zunehmender Zeit und der Zunahme des Alkoholspiegel schauten wir uns Videos auf Youtube an. Genau, den niesenden Panda, die Old-Spice-Werbungen, irgendwelcher Comic-Trailer aus den 80ern und ich zeigte irgendwann diese Greenpeace-Star-Wars-Kampagne. Und wie es so meine Art ist, wollte ich mit unnützen, aber unglaublich breitem Wissen glänzen und führte aus, dass der Jediismus im Vereinigten Königreich als Religion in Umfragen zu führen ist, weil das mal so viele bei einer Befragung angekreuzt hatten.

Irgendwer, vermeintlich mein Schwager, sagte: „Klar! Sicher!“, mit diesem Unterton, der mir immer wieder deutlich macht, das sich die Tiefe meiner Gelehrsamkeit an solchen Abenden ab einem gewissen Punkt vor allem mir selbst erschliesst.

Strebsamer Journalist, der ich nun mal gerne wäre, mußte ich am nächsten Tag der Sache nachgehen. Und dabei fand ich – zwar keine Antwort auf meine Ausgangsfrage, wie es mir öfter beim Googlen passiert – dafür aber heraus, dass es tatsächlich Menschen gibt, die der Religion des Jediismus anhängen, völlig ernsthaft, und das auch in Deutschland.

Nach einigen E-Mails gelang es mir einen Kontakt herzustellen, und ich bin nun doch stolz, ein Interview mit einem ehemaligen Mitglied eines deutschen Jedi-Ordens zu präsentieren! Das ist hier etwas länger, ja, das geb ich zu, aber ich finde das so Interessant, dass ich euch kein Wort vorenthalten will…

Mein Interviewpartner war dabei „Aran Aryono“, mit bürgerlichem Namen Uwe Caspari (24), Software Engineer. Bis zu seinem Austritt war er Kurator im
Jedi-Orden, dem er im Juni 2010 beigetreten war.

Aran Aryono, wenn ich das richtig verstehe, sind Sie so etwas wie der Vorsitzende des deutschen Jedi Ordens. Beim Begriff „Jedi Orden“ denken die meisten unserer Leser wahrscheinlich sofort an die Star Wars-Filme von George Lucas.

Wenn ich das aber richtig sehe, verstehen Sie und Ihre Deine Glaubensbrüder sich aber als reale Religion, die es gar nicht so gern hat, auf die Filme angesprochen zu werden. Vielleicht erzählen Sie doch einmal, was der deutsche Jedi Orden ist, woran Sie glauben und wie Ihr Verhältnis zu dem Universum von George Lucas ist!

Da gab es wohl ein Missverständnis, es gibt im Jediorden keinen Vorsitzenden.

In der Anfangszeit gab es im Jediorden einen Interimsrat, der in seiner Funktion den Orden etablieren sollte um dann, wenn alle entsprechenden Ordnungen verfasst sind, einen hohen Rat wählen zu lassen, durch die Mitglieder des Ordens. Der Orden entschied sich jedoch gegen einen hohen Rat, zugunsten einer Basisdemokratie in der alle Mitglieder gleichberechtigt sind.

Jedoch müssen in solch einer Organisation, wie in jeder anderen, einige Aufgaben in Form von Ämtern vergeben werden. Das heißt, der Jediorden hat einen Schatzmeister zur Verwaltung der Habe des Ordens, sowie einen Verantwortlichen für die Planung einer Ordensausbildung.

Außerdem gibt es das Amt des Kurators, der sich um die technischen Angelegenheiten kümmert.

Ein Kurator ist der Leiter eines Kuratoriums, welches im Falle des Ordens der Jedi bislang nur die IT zu pflegen hatte, wodurch ich für dieses Amt am geeignetsten war.

Nun aber zur eigentlichen Frage:

Ja, die meisten Menschen denken dabei an Star Wars und an Science-Fiction-Freaks.

Der reale Jediismus hat zwar einige parallelen im Star Wars – Universum, jedoch nicht, wie oft behauptet, seine Wurzeln dort.

Der Jediismus wurden in den 70er Jahren gegründet, vermutlich in England. Die genauen Details sind unbekannt, die Geschichte ist eher Legende als Fakt. Damals gab es eine Gruppe von Menschen die mit den Religionen dieser Welt unzufrieden waren, die zwar in jeder bekannten Religion einen guten Kern sahen, jedoch war keine dabei, die den Wünschen dieser Leute wirklich entsprach.

Besonders angetan war man wohl vom Daoismus, Shintoismus und Buddhismus, aber durchaus auch von teilen des Christentums, also entschied man sich, eine eigene Religion zu gründen, eine Art Druidenorden, der sich synkretistisch aus all diesen Religionen summiert.

Grundpfeiler dieser neuen Gemeinschaft waren Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Offenheit, Mitgefühl und Menschlichkeit und ähnliche Grundsätze. Man solle sich für Mitmenschen einsetzen, Gutes tun, dabei bescheiden bleiben und nicht von Stolz geleitet sein. Außerdem wollte man nicht an einen personifizierten Gott glauben, sondern eher an eine Energie ähnlich des Qi. Sich dem „Willen“ einer übergeordneten Macht zu beugen, die unser Leben bestimmt, erschien weniger Interessant als der Glaube an eine Energie die uns umströmt und durchströmt, die ohne eigenen Willen und Plan das Leben erschuf. Kein Kreationismus, aber eine Energie, eine Kraft, ohne die das Leben nicht sein kann.

Jedoch gab es keinen Namen für diese neue Religion und man wusste sich dabei nicht mit alten und bekannten Namen zu helfen, da diese alle mit Inhalten vorbelegt waren.

Und genau an dieser Stelle kommt Herr George Lucas mit seinen Filmen ins Spiel.

Als Star Wars in die Kinos kam, wollte es der Zufall, dass die Jedi diesen sahen und aufgrund der Parallelen zu den Filmjedi sich den Namen „Jedi“ verliehen und die Religion „Jediismus“ tauften. Auch wurde die Energie, die man aus den östlichen Religionen übernahm, „Macht“ getauft. Der überragende Erfolg der Filme war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erahnen, daher auch nicht die Probleme die diese Namensgebung den Jedi später einmal bereiten würde.

Ein grundlegender Unterschied des Jediismus zu anderen Religionen ist, dass er keinen Anspruch auf Absolutheit hat.

Die Jedi sind tolerant und akzeptieren jedwede andere Religion ebenso wie die eigene. Den Jedi ist vor allem bewusst, dass niemand einen Beweis für die Korrektheit eines Glaubens liefern kann und dass der Jediismus als Religion ebenso falsch sein kann wie der Glaube an einen personifizierten Gott oder mehrere Götter.

Doch Jediismus ist viel mehr eine Philosophie und eine Lebenseinstellung, als Religion. So mancher Jedi, ich selbst eingeschlossen, glaubt ebenso wenig an die Macht wie das Qi oder einen Gott, sondern fühlt sich als Jedi, wegen dem was er lebt und wie er leben möchte.

Dass man heute natürlich oft als Star-Wars-Fanclub bezeichnet wird, liegt daran, dass die Star-Wars-Saga derart berühmt wurde. Jedoch stehen wir zu den Parallelen die die Filme uns liefern. Wir bauen jedoch keine Lichtschwerter und versuchen auch nicht mit unserer Gedankenkraft Gegenstände zu bewegen. Doch die Art und Weise wie die Jedi im Film das Leben achten und sich für die Einsetzen die Hilfe brauchen, das macht uns auch zu Jedi.

Dass wir nicht gerne auf die Filme angesprochen werden, würde ich so nicht sagen. Jedoch ist es natürlich anstrengend wenn Kleingeister uns auf ebendies reduzieren und sich nicht einmal die Mühe machen dahinter zu blicken und zu sehen, was wir sind, oder sein wollen.

Hier gibt es einen Blogbeitrag von mir zu diesem Thema.

 
 

Für echte Jedi hat die Triskele eine wichtige Bedeutung. (Quelle: Conor Lawless / Flickr / CC-BY-SA)

Welchen Sinn haben die „Ordensnamen“?

Die Ordensnamen dienen in keinster Weise dazu, den realen Namen zu verschleiern, im Gegenteil, bei einer Mitgliedschaft in den mir bekannten beiden Orden ist dieser sogar anzugeben und wird in die Unterlagen aufgenommen. Unter den Mitgliedern ist sich nicht jeder mit jedem Namen bekannt, jedoch ist ein Name auch nur eine Bezeichnung, die jemanden eindeutig zuordnet, was mit beiden Namen durchaus möglich ist.

Die Ordensnamen haben mehrere Gründe. Auf der einen Seite sicherlich auch eine Art Anonymität, zumindest nach Außen hin. Manche Mitglieder werden ihre Namen sicher gewählt haben, weil sie schöner klingen.

Für die meisten Jedi ist der Name jedoch ein Ausdruck der Persönlichkeit.

Unsere „echten“ Namen suchen wir uns nicht selbst aus, sie werden uns gegeben.

Natürlich sind wir nicht zwingend unzufrieden mit den Namen die wir haben, doch sie sind selten ein Ausdruck unserer Persönlichkeit, da man sie ja oft schon vor der Geburt festlegt und sie können weder uns noch unseren Charakter beschreiben.

Aran Aryono soll übersetzt ungefähr „Hüter/Bewahrer des Erbes“ bedeuten, da ich ein Mensch bin der Traditionen sehr verbunden ist und dem Kultur sehr wichtig ist. Diesen Namen habe ich mir selbst, nach langer Überlegung, verliehen und er beschreibt viel besser wie ich mich fühle als „Uwe Caspari“.

 

Seit wann gibt es den deutschen Jedi-Orden eigentlich, wie ist er ihr organisiert und wie viel Mitglieder?

Der deutsche Jediorden existiert seit drei Jahren. Am 14. September 2008 wurde er als „Deutscher Jedi Orden Grevenbroich“ gegründet. Organisiert ist er, wie erwähnt, basisdemokratisch und er zählte als ich eingetreten bin 20 Mitglieder, wie viele es zur Zeit genau sind, kann ich nicht sagen.

Es gibt jedoch weitere Orden neben dem „Orden der Jedi“.

 

Wie wird man eigentlich ein Jedi?

Man ist einer, indem man den Jediismus lebt. Wir erheben keinen Anspruch darauf, einer Gemeinschaft zugehörig zu sein, um sich Jedi zu nennen. Viele Menschen würden wir Jedi nennen, die nicht einmal wissen, dass es diese Religion gibt. Jedi ist, wer sich wie ein Jedi verhält.

Auf welche Reaktionen stoßen Sie in Ihrem Umfeld mit Ihrer Religion?

Spott, Hohn, aber auch Anerkennung und Lob. Wer sich ernsthaft damit auseinander setzt, ist beeindruckt. Wer das Thema zu oberflächlich behandelt, lacht darüber. Aber daran gewöhnt man sich.

Wie spiegelt sich Ihr Jedi-Glauben in Ihrem Alltag wieder?

Er spiegelt sich darin wieder, dass ich viel über das nachdenke was ich tue, was ich tat, was ich tun werde.

Es ist wichtig zu reflektieren und mit sich selbst kritisch zu sein.

Außerdem sollte die Frage „Was kann ich beitragen?“ jederzeit Vorrang haben vor „Was habe ich davon?“

Gibt es weitere Jedi-Orden in Deutschland?

 

Bekannt sind mir zwei weitere Orden die jediistisch orientiert sind.

Es gibt die Gesellschaft-Jedi, wobei wir uns nicht sicher sind, wie ernst man diesen Orden nehmen kann, bei diplomatischen Kontakten waren sie sehr offen und nett, jedoch wenig strukturiert.

Des weiteren kenne ich
den Orden der Hoffnung oder Order of Hope.

Dieser Orden ist vergleichsweise groß – mit ungefähr 50 Mitgliedern soweit ich weiß-  und betreibt den Jediismus recht ernsthaft, jedoch mit weniger ehrgeizigen Zielen als der Jediorden. Im Orden der Hoffnung findet man Menschen zum Reden und man ist gut aufgehoben, wenn man Probleme hat und Hilfe braucht, egal welcher Art. Diese Menschen leben den charakterlichen Jediismus sehr gut aus, aber auch hier hat es weniger mit Religion als mit Philosophie und Weltanschauung zu tun.

Alle weiteren Orden die ich bisher fand, stellten sich am Ende doch als Star-Wars Fanclubs raus.

Sehr schade, wie ich finde.

Tja, und damit endete mein Interview mit einem „echten Jedi“. Was lernt mich diese Episode. Zum einen, dass es immer wieder etwas gibt, das mich beim Finden mit offenem Mund staunen läßt. Und zum anderen, dass ich dankbar sein kann, meinen Schwager zu haben, der mich immer dazu bringt, noch spannenderen Themen nach zu jagen!

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